18. Juni 2023

Bürger:innenentscheid in Greifswald

 

Was ist ein Bürger:innenentscheid/Bürger:innenbegeheren?

Wenn Bürger:innen mit einem Vorhaben der Politiker:innen zum Beispiel in ihrer Stadt oder Gemeinde nicht einverstanden sind, dann können sie sich mit einem Bürgerbegehren dagegen wehren. Dazu müssen sie von den Menschen, die ihrer Meinung sind, eine bestimmte Anzahl an Unterschriften sammeln. In Greifswald sind das: 4000. Sobald genügend Unterschriften zusammengekommen sind, können die Bürger:innen einen Bürger:innenentscheid beantragen. Wenn er genehmigt wird, dürfen alle wahlberechtigten Bürger:innen (in Mecklenbburg-Vorpommern ab 16 Jahre) der Stadt oder der Gemeinde darüber abstimmen, ob das Vorhaben der Politiker:innen durchgeführt werden soll, oder nicht.

Worüber wird abgestimmt?

Gestellt wird die Frage: „Sind Sie dafür, dass im Eigentum der Universitäts- und Hansestadt Greifswald stehende Grundstücke zwecks Errichtung von Containerdörfern zur Unterbringung von Geflüchteten an den Landkreis Vorpommern-Greifswald verpachtet werden?“ Doch die eigentliche Entscheidung die an diesem Tag von den Bürger:innen der Stadt getroffen wird, ist die, ob Greifswald wirklich ein sicherer Hafen, also ein Ort der geflüchtete Menschen Willkommen heißt ist bzw. bleibt. Und das bedeutet mehr, als sie unterzubringen. Trotzdem ist es aktuell die Frage nach der Unterbringung bzw. Aufnahme, die Bürger:innen der Stadt auf die Straße treibt.

Hintergrund des Bürger:innenbegehrens

Für Unterbringung Geflüchteter ist nicht die Stadt selbst sondern der Landkreis verantwortlich. Momentan reichen bereits geschaffene Unterbringungsmöglichkeiten in Greifswald nicht aus, um weiterhin ankommende Menschen in der Stadt aufzunehmen. Logischerweise müssen weitere Kapazitäten geschaffen werden, denn über ein Ja zum Recht auf Asyl wird an dieser Stelle nun wirklich nicht diskutiert. Im Jahr 2015 wurden Turnhallen zu sogenannten Notunterkünften und jetzt hat der Landkreis vor Container aufzustellen. Auch nicht diskutabel ist der Umstand, dass sowohl Turnhallen, als auch Container nichts weiter als abbsolute Notlösungen sein können.

Warum mit JA abstimmen?

Auch wenn wahrscheinlich niemand glücklich mit der Unterbringung von Menschen in Containern ist, sollte beim Bürger:innenentscheid mit JA gestimmt werden. Die dort gestellte Frage ist Ergebnis rassistischer Vorurteile und stützt menschenverachtende Argumentationsstrategien. Das gewünschte Ergebnis der Initiator:innen würde nicht dazu führen, einen Diskurs zur Willkommenkultur in der Stadt anzustoßen, sondern sie azuschaffen. Dieser Entwicklung gilt es in unseren Augen etwas entgegenzusetzen!

für Organisationen, Vereine, etc.

Aufruf der JA!-Kampagne

Solidarisch sein heißt, sich insbesondere mit Schwächeren und Benachteiligten bedingungslos zu verbünden. Es heißt, gemeinsam mehr Gerechtigkeit zu erstreiten und sich gegenseitig zu stärken. Solidarität ist notwendig in einer Gesellschaft, in der immer weniger Menschen sich den Reichtum teilen und in einer Welt, in der die Einen die Lebensgrundlagen aller zerstören und vor allem die Ärmsten darunter leiden.

Ja zu Migration!
Migrant*innen und deren Nachkommen sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Wir alle zusammen wollen hier schon lange die Zivilgesellschaft gestalten – den politischen Raum, das Arbeitsleben, die Kultur. Ein „Wir“ und „Die“ gibt es nicht. Diese Trennung ist eine nationalistische Konstruktion und rechte Stimmungsmache. Einen Zusammenhang zwischen Migration und Sicherheitsfragen herzustellen ist rassistisch.

Ja zur Klarheit gegen rechte Mobilmachung!
Rechte Akteur*innen spielen sich als Stimme der Greifswalder*innen auf. Der Bürger*innenentscheid wurde von Akteur*innen ins Leben gerufen, die in rechten Parteien oder Strukturen organisiert sind. Sie instrumentalisieren das Thema Migration für ihre eigenen Interessen und antihumanistische Ziele.

Ja zur menschenwürdigen Aufnahme von Geflüchteten in Greifswald!
Menschen auf der Flucht brauchen Schutz! Greifswald ist ein guter Ort hierfür. Unsere Stadt kann ein guter Ort sein. Eine menschenwürdige Aufnahme zu organisieren liegt in der Zuständigkeit des Landkreises. Greifswald bietet Unterstützung an. Die Bürgerschaft hat am 27. März mehrheitlich beschlossen, dass die dezentrale Unterbringung Geflüchteter in Wohnungen die erste Wahl ist. Gemeinschaftsunterkünfte und Containerunterbringungen sind Notlösungen. Wer in dieser Situation gegen die Verpachtung städtischer Flächen eintritt, riskiert, dass Sporthallen belegt werden müssen. Überall im Land machen sich Geflüchtete
und ihre Unterstützer*innen für humanitäre Bedingungen der Aufnahme stark. Wir müssen diese Forderungen hören und so schnell wie irgend möglich die sowohl stigmatisierenden wie auch psychisch belastenden Gemeinschaftsunterkünfte abschaffen.

Ja zu einer Gesellschaft, die die Interessen sozial und finanziell benachteiligter Gruppen nicht gegeneinander ausspielt!
Wohnen ist ein Menschrecht. Eine Stadt wie Greifswald braucht ausreichend für alle Menschen bezahlbaren und sicheren Wohnraum, um unter anderem eine Unterbringung von Geflüchteten zu ermöglichen. Die viel zu lange wirksame politische Praxis, knappen Wohnraum für das Profitinteresse Einzelner zu verwenden, widerspricht diesem Grundbedürfnis.

Bürger*innenentscheid: Ein „JA“ zu Solidarität!